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Kammertänzerin Prof. Birgit Keil

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„Eine deutsche Ballerina von Weltformat – die erste seit Fanny Elßler“, so nennt sie Clive Barnes, der Kritiker der New York Times, und setzt hinzu: „Deutschland hat lange auf eine Keil warten müssen“. 

 

Birgit Keil wird in Kowarschen (heute Kovárov) im Sudetenland geboren. Ihre Ausbildung zur klassischen Tänzerin absolviert sie an der Ballettschule der Württembergischen Staatstheater. 1961 wird sie, als John Cranko die Direktion übernimmt, Mitglied des Stuttgarter Ballett. Ihr außergewöhnliches Talent bringt ihr ein einjähriges Stipendium für die Royal Ballet School London ein. 1963 nach ihrer Rückkehr zum Stuttgarter Ballet ernennt John Cranko sie zur Solistin und wenig später zur Ersten Ballerina. Unter seiner Leitung wird sie durch Tourneen mit dem Ensemble und durch Sologastauftritte u. a. an der Opéra Paris, La Scala Milano, beim American Ballet Theatre New York, Royal Ballet London und an der Wiener Staatsoper weltweit als Die Deutsche Ballerina bekannt. Als solche tanzt sie alle Hauptrollen des klassischen und modernen Repertoires. Ihre Interpretation hat Choreografen wie u. a. John Cranko, Sir Kenneth MacMillan, Sir Peter Wright, Glen Tetley, Jiří Kylián, John Neumeier, Heinz Spoerli, Uwe Scholz, Vittorio Biagi, Eliot Feld, Hans van Manen und Marcia Haydée zu Werken inspiriert, die eigens für Birgit Keil geschaffen werden. 1980 wird ihr der Titel „Kammertänzerin“ verliehen. 

 

Seit 1968 verbindet sie eine private und berufliche Partnerschaft mit Vladimir Klos, Erster Solotänzer des Stuttgarter Ballett von 1972-1998. Birgit Keils Partner auf internationalen Bühnen sind u.a. Rudolf Nureyev, Ferndando Bujones, Paolo Bortoluzzi, Richard Cragun, Heinz Clauss und Heinz Bosl. 

 

Im Juli 1995 beendet Birgit Keil ihre aktive Bühnenlaufbahn mit einer glanzvollen Abschiedsgala im großen Haus der Württembergischen Staatstheater Stuttgart. Zur gleichen Zeit ruft sie mit der Mailänderin Marchesa Maddalena Mina di Sospiro die private Tanzstiftung Birgit Keil ins Leben. Die Stiftung widmet sich der Förderung desTänzer- und Choreografennachwuchses. Im Januar 1997 gibt Birgit Keil in Stuttgart mit dem für sie geschriebenen Stück Das Geschöpf von Geza Révay ihr Schauspieldebüt. 

 

Im März 1997 wird ihr vom Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg der Titel einer Professorin verliehen. Von 1997 - 2019 ist sie Leiterin an der Akademie des Tanzes der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Mannheim, wo sie auch als Professorin lehrt. Von 2003 - 2019 übernimmt sie zusätzlich die Ballettdirektion am Staatstheater Karlsruhe. Das unter Birgit Keil neu formierte Karlsruher Ballett wird zu Beginn der Spielzeit 2012/2013 der Titel Badisches Staatsballett Karlsruhe verliehen. 2021 stiftet sie gemeinsam mit Vladimir Klos den Birgit Keil-Award.

 

Birgit Keil wird im Laufe ihrer Karriere mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt, darunter: Sudetendeutscher Anerkennungspreis (1966), Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg (1979), Preis des Verbands der deutschen Kritiker (1981), Emmy Award (1984), John Cranko Medaille (1985), Bundesverdienstkreuz erster Klasse (1985), Deutscher Tanzpreis (1998), Großer Sudetendeutscher Kulturpreis (1999), Ehrenmitgliedschaft des London Ballet Circle (2005), Ehrung durch die Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin mit einer Hommage (2008), Landeslehrpreis Baden-Württemberg (2015), Prix Hélène der Peter-Linder-Stiftung (2017). Ehrenmitglied des Badischen Staatstheater Karlsruhe (2019). Verleihung der großen Staufermedaille in Gold durch den Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg Winfried Kretschmann (2019).

Pressestimmen

"[...] Birgit Keil ist ohne Zweifel die bedeutendste Deutsche Ballerina ihrer Zeit. Als Mitglied des Stuttgarter Balletts, seit John Cranko 1961 das Ensemble als Direktor übernahm, wurde ihr internationale Anerkennung sowohl in Europa als auch in Übersee durch weltweite Tourneen mit der Kompanie und durch Sologastauftritte gezollt. Diese Anerkennung beruht gleichermaßen auf ihrer makellosen Technik und ihrer perfekten klassischen Linie, wie auf ihrer warmen und mehr noch, ihrer femininen strahlenden Erscheinung.
Der internationale Rang den Birgit Keil genießt, ist begleitet von dem großen Respekt, den ihr ihr Publikum zu Hause in Stuttgart als Tänzerin und als Mensch entgegen bringt. Neben Marcia Haydée und Richard Cragun zählt sie zu den Persönlichkeiten des Stuttgarter Balletts, welche durch ihre Kunst und der langjährigen Zusammenarbeit zum Synonym des Ensembles wurden. Ihre Größe, Keil's brilliante Technik und lyrische Bühnenpräsenz haben sie zu einem außergewöhnlichen Ballerinentyp gemacht, mit langen Armen und Beinen und wunderschönen, weichen Armbewegungen. Ihre Erscheinung auf der Bühne und im täglichen Leben zeichnet sie durch eine stilvolle Eleganz aus. Birgit Keil ist eine exzellente Interpetin der großen führenden Rollen des klassischen Repertoires , welches sie bis heute tanzt. Ihre Technik wie auch ihre Erscheinung von narkotisierender Schönheit, hat Choreographen immer und immer wieder auf besondere Weise inspiriert, angefangen bei John Cranko, welcher im 2. Satz von "Initialen R.B.M.E" seinen Tribut zollt, eine Huldigung an die Tänzer Richard Cragun, Birgit Keil, Marcia Haydeé und Egon Madsen [...]"

Horst Vollmer in "International Dictionary of Ballet", 1993

"[...] Wann wurde ich zum ersten Mal auf Birgit Keil aufmerksam? Es muss im Jahre 1962 gewesen sein. Ich besuchte John zum ersten Mal in Stuttgart, wo er gerade die Kompanie übernommen hatte. John war von Birgit begeistert und überzeugt, dass sie eine Zukunft als Ballerina hatte. Ich persönlich war am meisten beeindruckt durch ihre Haltung, das Majestätische ihrer Hals- und Armlinie und die besondere Art ihrer inneren Hingabe, die sie sogar bei einer morgendlichen Probe im Ballettsaal zeigte. [...]"

Clive Barnes in "Birgit Keil - Portrait einer Ballerina", 1991

"[...] Das Geheimnis ihrer Eleganz ist die Linie. Die hat man als Tänzerin, oder man hat sie nicht. Gewiss man kann an ihr arbeiten, kann sie bis zu einem gewissen Grad verfeinern und sensibilisieren. Bei Birgit Keil scheint sie naturgegeben, ein Produkt des Instinkts eher denn das Ergebnis schweißtreibender Trainingsmühen im Zusammenwirken mit einem entschlossen seine Ziele verfolgenden Verstand. Das heißt nicht, dass sie nicht auch über einen hellwachen Verstand verfügte. Zufällig geschieht bei ihr nichts. Sie ist ein so durch und durch ästhetisches Geschöpf, dass es ihr unmöglich wäre, gegen das ihr immanente Gesetz der Ästhetik zu verstoßen. Und dessen tänzerische Inkarnation ist nun mal die Linie. [...]"

Horst Koegler in "Birgit Keil - Portrait einer Ballerina", 1991

"[...] Sie ist eine Ballerina, in deren Charakter sich Gefühl und Technik, Leidenschaft und Stil fließend miteinander verbinden. Ihr Tanzen ist ganz bildhaft, ganz Gedicht, das aus dem Herzen kommt. Cranko wusste genau, was er an seiner Stuttgarter Ballerina hatte. Sie gehörte auch zu seinen Stuttgarter Freunden. Ich bin sicher, heute wäre er ausgesprochen stolz auf sie, doch kein bisschen überrascht. [...]"

Clive Barnes in "Birgit Keil - Portrait einer Ballerina", 1991

"[...]Serge Lifar, sagenhaft als Tänzer, Schlitzohr, Schriftsteller, Ballettdirektor der Pariser Opéra hat es zu Beginn seines "Traktats über den Tanz" unnachsichtig deklariert und als unabdingbare Voraussetzung der Ballettklassik herausgestellt: die Schönheit des Menschen, seines Antlitzes wie seines Körpers.
[...]


Birgit Keil hat nicht nur Lifars Forderung bestrickend deutlich erfüllt, sie hat auch so schön getanzt wie sie aussah. Sie war eine Ballerina, wie sie im Märchenbuch steht.
[...]


Birgit Keil hat in denselben Ballettreihen Vladimir Klos als Lebensbegleiter gefunden. Mit ihm bildete Keil ein harmonisch geradezu traumtanzendes Paar.
[...]


Birgit Keil trug im Gemenge der Internationalität des Balletts auf anrührende Weise die deutschen Farben: Nationalballerina sozusagen einer Bundesliga des Tanzes.
[...]


Sie selbst schwärmte künstlerisch prachtvoll aus. John Cranko erkannte sofort das Anrührende ihrer tänzerischen Existenz, das geradezu Entwaffnende ihrer Schönheit. Tatsächlich – sie war jedermanns Herz-Dame, und zwar nicht nur in Crankos Choreografischem Kartenspiel. zur Strawinsky-Musik. In "Opus1" zu Anton Weberns Passacaglia drückte ihr, einer anderen mater dolorosa, Cranko den Leib Richard Craguns in die ergeben entfalteten Arme: ein unvergessliches Bild.
[...]


Birgit Keil hat viele Choreografen durch ihre Kunst inspiriert. Die Welt hat ihr gehuldigt; nicht nur die Tanzwelt allein. Auf unaufhörlichen Tourneen hat sie ihre faltenlose, doch facettenreiche Kunst vorgezeigt und Bewunderung in Fülle geerntet, eine dauerhafte Kunst noch dazu, unangetastet durch Schrunden und Niederungen des Tages, Trainingsterror oder Probenstress. Die sollen auch künftigen Tänzergenerationen erspart bleiben. Dafür will die von Birgit Keil zu ihrem Abschied von der Bühne ins Leben gerufene Tanzstiftung sorgen.
[...]


Immer erschien Birgit Keil ihrer Kunst und ihres Seins sicher: eine junge Dame auf Spitze , überaus talentiert, aber auch überaus gut gezogen. Tatsächlich - Birgit Keil war im Grunde ein hochgezüchtetes Kunstprodukt. Die Meißner Manufaktur hätte sie längst, wie einst die Pavlowa, in delikaten, höchst zerbrechlichen Ewigkeitsrang einer Porzellanskulptur fürsten müssen. Keine weit und breit, die dafür besser getaugt hätte. [...]"

Klaus Geitel

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